04.09.2023 | Suche nach Leben

Enceladus: Eisiger Mond wird heißer Tipp für Suche nach Leben

Ein Ozean aus flüssigem Wasser mit Nährstoffen und dem Salzgehalt des Mittelmeeres - der außen eisige Saturnmond Enceladus bietet einzigartige Voraussetzungen für die Entstehung von Leben. Die ÖAW-Weltraumforscherin Ruth-Sophie Taubner erklärt, warum der Himmelskörper derzeit für große Aufmerksamkeit sorgt.

Illustration des Enceladus mit einer weißen Oberfläche, die von blauen Adern durchzogen ist.
Harte Schale, flüssig darunter: Enceladus, der sechstgrößte Mond des Saturn. © Adobe Stock

Damit Leben entstehen kann, bedarf es einer Reihe von Voraussetzungen. Bei der Suche nach außerirdischem Leben werden vielversprechende Planeten, die teilweise in Lichtjahren Entfernung identifiziert werden, daher einem ganzen Katalog an Voraussetzungen unterzogen - und scheitern vielfach daran. Doch ausgerechnet in unserem eigenen Sonnensystem rückt ein Himmelskörper seit einiger Zeit ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Enceladus, ein eisiger Mond, der den Saturn umkreist. 

Enceladus ist aus unterschiedlichen Gründen für die Forschung besonders interessant. Er beherbergt nicht nur einen unter einer dicken Eisschicht verborgenen Ozean, sondern auch Geysire, die das Wasser an die Oberfläche befördern und somit zugänglich für Analysen machen. Im Interview erklärt Ruth-Sophie Taubner vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), was bisher -  insbesondere dank der 2005 gestarteten NASA-Weltraummission Cassini - über Enceladus bekannt ist, wie es gelingen könnte, Leben auf dem Mond nachzuweisen und warum das die Suche nach außerirdischem Leben auch in anderen Regionen des Alls verändern könnte. 

Mysteriöser Eismond

Was wissen wir bisher über Enceladus?

Ruth-Sophie Taubner: Enceladus ist ein Eismond mit rund 500 Kilometer Durchmesser. Die gesamte Oberfläche ist von einer Eisschicht bedeckt, die laut Modellen im Schnitt etwa 30 bis 40 Kilometer stark ist. Am Südpol, wo auch Geysire zu finden sind, könnte das Eis aber nur etwa zwei Kilometer mächtig sein. Der Ozean unter dem Eis ist, je nach Modell, zehn bis 30 Kilometer tief und steht in direktem Kontakt mit dem festen Gesteinskern des Monds. Das ist wichtig, weil das Wasser so Kontakt zum Kern hat und Mineralien aus dem Stein waschen kann. Cassinis Analysen des von den Geysiren ausgestoßenen Wassers bzw. der Partikel im E-Ring haben bestätigt, dass sich Salze im Ozeanwasser befinden, die auf hydrothermale Quellen am Ozeanboden hinweisen.

Was wissen wir über die Ausdehnung des Ozeans unter der Eisschicht?

Taubner: Die Geysire müssen aus dem Ozean gespeist werden. Wir wissen also, dass es ein enormes Wasserreservoir geben muss. Zudem haben extrem genaue Messungen eine leichte Taumelbewegung des Mondes gezeigt. Daraus können wir schließen, dass der Ozean wohl den gesamten Mond bedeckt.

Damit sind nach unserem Wissensstand alle Voraussetzungen für Leben erfüllt.

Kürzlich hat die Analyse von Cassini-Daten gezeigt, dass Phosphat im Ozean auf Enceladus vorhanden ist und damit alle lebensnotwendigen Elemente vorkommen. 

Taubner: Das Wasser im Ozean ist alkalisch mit einem pH-Wert zwischen 9 und 10,5 und hat eine Salzkonzentration, die etwa der des Mittelmeers entspricht. Die Temperatur liegt in der Nähe der hydrothermalen Quellen bei bis über 90 Grad Celsius und bewegt sich ansonsten im Ozean knapp über dem Gefrierpunkt von Salzwasser. Es gibt Wasser, hydrothermale Quellen und die Elemente Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Schwefel und - falls die neuen Ergebnisse bestätigt werden können - Phosphor. Damit sind nach unserem Wissensstand alle Voraussetzungen für Leben erfüllt. Einige irdische Lebensformen, zum Beispiel methanogene Mikroorganismen, die man etwa am Tiefseeboden findet, könnten unter solchen Bedingungen vermutlich überleben. Ob es Leben auf Enceladus gibt, wissen wir aber erst, wenn wir mit entsprechenden Instrumenten Organismen nachweisen können. 

Es juckt jede/n Wissenschaftler:in, eine entsprechend ausgestattete Sonde zu Enceladus zu schicken."

Warum fliegen wir nicht sofort los, um Leben auf Enceladus zu suchen?

Taubner: Es juckt jede/n Wissenschaftler:in, eine entsprechend ausgestattete Sonde zu Enceladus zu schicken. Aber es gibt sehr viele weitere spannende Orte im Sonnensystem, die es noch zu erkunden gilt. Das Saturnsystem war mit Cassini-Huygens erst kürzlich das Ziel einer großen Mission, die nach wie vor neue Erkenntnisse liefert. Derzeit stehen andere Planeten im Fokus. Für Astrobiologen bleibt eine neue Enceladus-Mission aber natürlich ein großer Traum. Man muss aber bedenken, dass Reisen ins äußere Sonnensystem etwa zehn Jahre Konzeption, zehn Jahre Bauzeit und weitere zehn Jahre für die eigentliche Reise benötigen.

Träumen von einer Mond-Mission

Was wünschen sich Forscher:innen für eine mögliche Mission?

Taubner: Der Traum wäre eine Mission, die eine Landesonde mitführt, die sich auf der Oberfläche von Enceladus bewegen kann und sich idealerweise durch das Eis bohrt. Damit könnte man erforschen, ob die Bruchlinien, aus denen die Geysire austreten, immer bis zum Ozean hinab reichen und natürlich Wasserproben nehmen. 

Gibt es Konzepte für solche Sonden?

Taubner: Eine stationäre Landesonde war ursprünglich als Nachfolgemission für die für 2024 geplante Europa Clipper Mission angedacht, jedoch wurden die Mittel für dieses Projekt leider eingestellt. Eine Sonde, die sich durch Eis arbeiten kann, muss mit Energie versorgt werden und Daten übertragen. Ein einige Kilometer langes Kabel ist aber nicht praktikabel. Vielleicht ist es also gar nicht schlecht, dass wir noch ein paar Jahre Zeit haben, um die erforderliche Technologie zu entwickeln und zu perfektionieren.

Suche nach bewohnbaren Zonen

Wäre es verwunderlich, wenn das Leben so weit draußen im Sonnensystem ein zweites Heim gefunden hätte?

Taubner: Ja, die “habitable Zone” unseres Sonnensystems wird üblicherweise zwischen Venus und Mars gezeichnet, weil es dort flüssiges Wasser auf den Oberflächen der Himmelskörper geben kann.  Die Entdeckungen der unterirdischen Ozeane auf den Himmelskörpern im äußeren Sonnensystem zeigen klar auf, dass diese Definition überarbeitet werden sollte – auch im Hinblick auf die Suche nach habitablen Objekten außerhalb des Sonnensystems.

Eine Mission, die Wasser zurück zur Erde bringt, wäre sehr ambitioniert, aber nicht unrealistisch."

Wie könnte Leben im Enceladus-Ozean unter dem Eis aussehen?

Taubner: Ohne Sonnenlicht, Photosynthese und freien Sauerstoff ist Leben, soweit wir wissen, nur für mikroskopische, einfache Organismen möglich. Aber diese Annahme basiert auf einem einzelnen Datenpunkt, nämlich dem Leben auf der Erde. Der Nachweis von Leben ist deshalb nicht so einfach. Welche Moleküle und Elemente für einen indirekten Nachweis von Leben aus der Ferne taugen, ist eine offene Frage. Wir wissen mittlerweile, dass sich solche Biosignaturen durch geringfügige Änderungen von Umweltparametern wie Temperatur oder Substratzusammensetzung verändern können, was den Nachweis noch komplizierter macht. Die verlässlichste Methode wäre eine Analyse des Enceladus-Wassers im Labor auf der Erde, weil wir hier ganz andere Möglichkeiten haben, als mit einer Sonde. Eine Mission, die Wasser zurück zur Erde bringt, wäre sehr ambitioniert, aber nicht unrealistisch.